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Wenn ich zum Thema Älterwerden positive Videos auf YouTube hochlade, ernte ich nicht immer nur positive Reaktionen, sondern auch ablehnende und sogar wütende. "Was soll am Verfall gut sein?" fragte etwa einmal eine Zuseherin, eine andere rief “Älterwerden ist Scheiße, was redest du da?” und erst kürzlich erklärte mir eine Frau: “Also mir macht es sicher keinen Spaß, älter zu werden”. Demgegenüber stehen LeserInnen und ZuseherInnen, die mir zustimmen: Älterwerden zu dürfen ist ein Geschenk. Heute daher mal ein Blick auf dieses Spannungsfeld und die Frage: Älterwerden: Zumutung oder Geschenk?
Das Älterwerden, eine Zumutung?
Klar, die Haut verändert sich, es entstehen Falten, das Bindegewebe wird schwächer, manche von uns legen an Gewicht zu, die Knochen knacken und schmerzen zunehmend und für eine gute Beweglichkeit muss man Jahr für Jahr immer noch mehr tun. Das ist Fakt.
Man ist außerdem nicht mehr so belastbar wie früher. Man braucht mehr Pausen, schafft nicht mehr so viel auf einmal, ist insgesamt nicht mehr so schnell wie in jungen Jahren und benötigt mehr Zeit, um sich von Belastungen zu erholen. Dazu kommen Risiken, die mit dem Älterwerden steigen: Das Risiko krank zu werden, das Risiko nicht mehr alleine zurechtzukommen oder gar pflegebedürftig zu werden. Das Risiko den langjährigen Partner/ die Partnerin zu verlieren, das Risiko mit den Jahren immer einsamer zu werden, einfach weil viele Freunde und Bekannten nach und nach wegsterben.
Es gibt also tatsächlich viele Gründe zu sagen, Älterwerden ist eine Zumutung. Ich möchte diesem Bild der Zumutung trotzdem ein ABER entgegensetzen: Was erwarten wir vom Älterwerden? Dass das Leben vom 60. Geburtstag bis zum Tod eine einzige rauschende Party wird? Wann im Leben war es das jemals? Nie! Warum also soll ausgerechnet das Älterwerden jetzt nur Honiglecken sein? Erinnere dich doch mal an die vielen Krisen in deinem bisherigen Leben. Krankheit, Beziehungsprobleme, Scheidung, pubertierende Kinder, die dich in den Wahnsinn getrieben haben, vielleicht auch Arbeitslosigkeit. All das hast du geschafft, mehr noch, an all dem bist du gereift!
Und was deinen Körper betrifft: Mal ganz ehrlich, vor allem wenn du eine Frau bist. Wann im Leben warst du zu 100% zufrieden mit ihm? Wann war er jemals schön genug für dich? Eben.....das Thema ist nicht neu!
Das Älterwerden hat helle und dunkle Seiten. Gar keine Frage. Wie das gesamte Leben davor auch schon, können wir im Älterwerden Krisen erleben. Und wie im ganzen Leben zuvor, geht es auch im Älterwerden darum, diese Krisen zu bewältigen, sie ins Leben zu integrieren und, wenn es auch manchmal schwer fällt, daran zu wachsen.
Veränderungen können vorbereitet werden, Krisen lassen uns wachsen
Kürzlich hatte ich ein Coaching mit einer Frau jenseits der 70. Sie hatte im letzten Jahr eine große gesundheitliche Krise erlebt, jetzt ist sie dabei, sich ins Leben zurück zu kämpfen. Als sie von ihrer erlebten Gesundheitskrise zu erzählen begann, erwartete ich viele Klagen und Aussagen wie “Alles ist furchtbar!” Zu meiner großen Überraschung meinte diese Frau aber: "Dieses Ereignis war ein Warnschuss für mich und brachte die Wende. Ich habe mich jetzt entschieden, ich will leben!" Mittlerweile hat diese Frau ihren Lebensstil, der der eigentliche Grund für die schlechte gesundheitliche Situation war, komplett verändert und ich bin mir sehr sicher, dass sie eine gute Zukunft vor sich hat. Sie sprüht jedenfalls vor Kampfgeist.
Älterwerden ist manchmal mühsam. Aber nicht immer ist es das Älterwerden an sich, welches die Probleme macht, sondern es ist die fehlende Vorbereitung auf Umbruchsituationen.
Ein weiteres Beispiel: Vor einigen Tagen habe ich Menschen in meinem Umfeld gefragt, ob das Älterwerden für sie Geschenk oder Zumutung ist. Eine Bekannte meinte: "Also, ich finde es grad nicht so gut….." Daraufhin habe ich genauer nachgefragt: "Ist es das Älterwerden, was dir Probleme bereitet oder das Leben an sich?" Die Antwort danach lautete: "Besonders fehlt mir gerade ein geregelter, durch Arbeit bestimmter Tagesablauf, so fällt es mir schwer, in die Gänge zu kommen."
Es geht also um den kürzlich angetretenen Ruhestand, der viel im Leben verändert und wo es große Anpassungsleistungen braucht. Oft wird dieser Übergang in die Pension unzureichend vorbereitet und die Menschen stolpern deshalb einige Monate oder auch Jahre bis sie mit der neuen Lebenssituation zurechtkommen und sich neu ausrichten. Doch das müsste nicht sein. Wir wissen von vielen Untersuchungen, wer sich gut auf den Ruhestand vorbereitet, kommt gut in der Pension, fühlt sich gesünder und spürt mehr Wohlbefinden als Menschen in den letzten Jahren der Erwerbstätigkeit.
Vorbereitungen fürs Älterwerden werden oft verabsäumt
Es ist häufig nicht das Älterwerden an sich eine Zumutung, sondern der Mensch verabsäumt es, sich auf Veränderungen in dieser Lebensphase vorzubereiten. Das ist bei vielen Themen der Fall, vom Ruhestand über das soziale Netzwerk, das Wohnen im Alter bis zu Pflegebedürftigkeit, Stichwort Vorsorgevollmacht.
Um gut ins höhere Alter zu kommen, muss ich mich mit meinem laufenden Älterwerden auseinandersetzen. Sätze wie "Ich beschäftige mich mit meinem Älterwerdenden nicht, weil noch bin ich jung!” sind da ziemlich kontraproduktiv. Das Älterwerden ist Teil des Lebens. So zu tun, als würde es nicht passieren, ändert nichts daran, dass das Älterwerden passiert. Im höheren Alter ernten wir also oft Probleme, weil wir uns vorher um diese wichtigen Themen nicht gekümmert haben. Und dann sagen wir: "Das Älterwerden ist Scheiße!"
Wollen wir lange leben, und das wollen die meisten, und wollen wir unsere Lebenszeit auch ausschöpfen, kommen wir nicht umhin, das Älterwerden früher oder später zu akzeptieren. Ich bin davon überzeugt, je früher wir das tun, desto mehr können wir dann auch wirklich das Potential dieser langen Lebensphase jenseits der 60 nützen.
Jugendliche Körperlichkeit und Attraktivität um fast jeden Preis?
Selbstverständlich kann ich es als Zumutung erleben, wenn ich irgendwann nicht mehr aussehe wie mit 30/40 und nicht mehr so schnell laufen und springen kann, wie mit 20. Keine Frage. Ich kann auch viel Zeit, Geld und Energie darauf verwenden, alle Zeichen des Älterwerdens möglichst nach hinten zu verschieben, zu verstecken oder zu tarnen. Die Medizin bietet dazu eine breite Palette, von diversen Hormonen bis Botox, Filler und operativen Straffungen.
Ich persönlich kann auch verstehen, dass man versucht ist, seine Jugend so lange wie möglich erhalten zu wollen. Ich kenne das schon auch von mir selbst, dass ich eine Falte so gar nicht sehen mag und mir denke: "Eine kleine Hyaluron-Injektion und sie ist wieder weg." Auch ich bin schon am Eingang eines Kosmetikinstituts gestanden und habe erwogen, eine Falte unterfüllen zu lassen. Nur, das muss regelmäßig gemacht werden und neben dem Kostenaspekt und den Schmerzen stellt sich die Frage: Wie lange soll die Verjüngungsprozedur durchgezogen werden? Wann sagt man: Jetzt ist es aber gut! Jetzt darf auch ich alt werden?
Je mehr ich mich so umschaue und Frauen beobachte, die sich regelmäßig diesen Schönheitsprozeduren unterwerfen, desto mehr habe ich das Bild von einem herbstlichen Baum vor Augen, dessen Blätter sich gerade bunt verfärben. Jemand steht auf einer langen Leiter und versucht verzweifelt, die bunten Blätter immer und immer wieder grün anzumalen und die abfallenden Blätter zurück an den Baum zu kleben.
Kurios, oder?
Ich persönlich bin davon überzeugt, dass gleichbleibendes jugendliches Aussehen unsere Lebensqualität nicht erhöht. Im Gegenteil, diese ständig präsente Angst vor dem Älterwerden macht uns unfrei und lässt die eigentlichen Potentiale dieser Lebensphase zum Brachland schrumpfen.
Das Älterwerden, ein Geschenk!
Nun zum anderen Pol unseres Spannungsfeldes, dem Älterwerden als Geschenk. Dass wir so lange leben dürfen heute, ist aus meiner Sicht - und viele Menschen erleben das ebenfalls so- ein Geschenk. Das Älterwerden hat viele helle Seiten und Potentiale, die gehoben werden wollen.
Ein paar Beispiele: Wir sind jenseits der 60 so selbstbewusst und im Reinen mit uns selbst, wie nie zuvor. Wir sind so kompetent, wie nie zuvor! Wir vereinen in uns Fachwissen und jede Menge Erfahrung, wir wissen so viel, wie nie zuvor und mit jedem Jahr wissen wir noch mehr. Wir verlieren uns nicht mehr in Unwichtigkeiten, weil wir gelernt haben, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Damit haben wir uns befreit von sehr viel Ballast. Ballast, den wir unser halbes Leben mit uns geschleppt haben. Wir sind jetzt außerdem frei- innerlich wie äußerlich. Innerlich frei. Weil wir niemandem mehr etwas beweisen müssen und niemand mehr werden müssen. Äußerlich frei, weil wir die meisten Aufgaben des Erwachsenenlebens abgeschlossen haben. Die Zeit jetzt gehört uns. Uns ganz alleine. Wir sind Herr/ Frau über unsere Zeit und können deshalb auch ALLES leben. Wir können weiterleben wie bisher, wir können aber auch ganz neue Wege gehen, ja sogar irgendwo neu anfangen. Die Welt steht uns offen.
Ich bin davon überzeugt, Älterwerden ist ein Geschenk und es liegt an dir, an uns, diese geschenkten Lebensjahre zu gestalten. Wie Du Dein Älterwerden erlebst, hängt also sehr davon ab, wofür du dich entscheidest. Ob Du das Älterwerden als Geschenk annimmst und gestaltest oder es als Zumutung erlebst und als schreckliche Zeit.
Wichtig zu wissen. Wir reden hier von einer Lebensphase, die- geht man vom 60. Lebensjahr aus - rund 25, 30 oder gar noch mehr Lebensjahre dauert. Es geht um rund ein Drittel deiner Lebenszeit. Ist es da nicht wirklich Zeit, das eigene Glück des Älterwerdens in die Hand zu nehmen, statt sich in Ängsten und im Kampf dagegen, zu verlieren?
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