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Du kennst sicher auch die alte Redewendung: "Einen alten Baum versetzt man nicht." Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört! Wann immer ich mit älteren Menschen über das Thema Wohnen auf das Alter vorzubereiten oder Wohnungswechsel fürs Alter rede, poppt dieser Satz hoch, meistens mit einem vorwurfsvollen erhobenen Zeigefinger. Aber ist eine Veränderung des Wohnens, ja vielleicht sogar ein Umzug, wirklich eine Zumutung oder gar eine Art Entwurzelung für ältere Menschen? Oder könnte es auch eine Chance darstellen, sein Wohnen ans Älterwerden anzupassen?
Es gibt Sätze, die halten sich über Generationen. Die Redensart “Einen alten Baum versetzt man nicht” ist so ein Satz. Damit gemeint ist, dass eine Wohnveränderung, etwa ein Wohnungswechsel, ältere Menschen immer unglücklich macht, weil quasi eine Art vollkommene Entwurzelung stattfindet.
Aber stimmt das denn? Oder ist dieser Satz vielleicht einfach nur ein riesiger Mythos und längst überholt?
Einen alten Baum versetzt man nicht!
Ich erzähle dir eine kleine Geschichte:
Vor vielen Jahren machte ich täglich in der Nähe eines Klosters Spaziergänge mit meinem Hund. Irgendwann schloss sich der Pförtner des Klosters, ein alter Mönch, diesen Spaziergängen an und wir wurden nach und nach Freunde. Eines Tages, ich wusste es war sein 90. Geburtstag, verabschiedete er sich plötzlich von mir und erzählte, dass er von seiner Glaubensgemeinschaft versetzt worden war. Nach über 30 Jahren in diesem Kloster sollte er es verlassen.
Ich war zugegeben im ersten Moment sprachlos, mehr noch, ich war schockiert und zornig rief ich “Aber wie kann man Dir das nur antun, in dem Alter? Einen alten Baum versetzt man doch nicht mehr!”
Mein Freund der alte Mönch sah mich aber zu meinem Erstaunen nur milde lächelnd an, er schüttelte seinen Kopf und antwortete: "Was für einen Unsinn Du redest. Ich bin zwar alt, aber nicht zu Stein erstarrt. Ich freue mich doch auf das Neue!"
Ich war ziemlich baff!
Altersmythos und veralteter Glaubenssatz
Der alte Mönch lehrte mich, dass der Satz “Einen alten Baum versetzt man nicht” ein Altersmythos darstellt. Der Satz unterstellt älteren Menschen, nicht mehr flexibel zu sein, nicht mehr offen für Neues, sondern unbeweglich. Als unreflektierter Glaubenssatz ins Leben übernommen, hindert er uns im Älterwerden daran, auf Neues zuzugehen, er verhindert, dass wir unser Wohnen in die Hand nehmen proaktiv fürs Alter gestalten. Er raubt uns die Freiheit der Lebensgestaltung.
Daher: Weg mit diesem Satz und neu hingeschaut auf das Thema Wohnen und Älterwerden!
Passt die heutige Wohnung für das Leben morgen?
Ist es nicht in Wirklichkeit oft so, dass der Wohnraum - ob Wohnung oder das Haus - den man bewohnt hat in der Familienphase, zwar viele schöne Erinnerungen in sich trägt, aber gleichzeitig auch eine Last sein kann? Was sich da so angesammelt hat über die Jahre! Von der Kinderzeichnung bis zum alten Brautkleid, von Tonnen an Büchern bis jede Menge Schickschnack. Alles ist irgendwie zu groß, zu viele Räume, zu viele Treppen und der Garten viel zu weitläufig, macht viel zu viel Arbeit. Die Wohnung liegt im 5. Stock, ohne Lift, zu viele kleine Räume, die nicht mehr genützt werden, jetzt wo die Kinder weg sind.
Ist man dieser Wohnung mit 60/ 70 Jahren nicht doch irgendwie entwachsen? Und wie soll das in Zukunft werden? Mit 80 etwa? Wenn es vielleicht etwas zwickt und zwackt, die Mobilität sich verändert? Ist die Wohnung dann wirklich noch geeignet? Dient sie im Leben oder belastet sie dann eher? Hält sie in Gesellschaft oder lässt sie einen dann vereinsamen?
Aus meiner langjährigen Erfahrung in der mobilen Altenpflege weiß ich, dass die meisten Menschen viel zu lange damit warten, ihr Wohnen für Alter zu verändern. Dabei würde gar nicht immer gleich ein Umzug anstehen, oft wären es auch kleine Adaptierungen oder Umbauten, die schon Großes bewirken könnten.
Etwa alles nach und nach barrierefrei und damit komfortabler gestalten. Aber man könnte eine große Wohnung auch in eine Wohngemeinschaft verwandeln und mit 2-3 Menschen zusammenleben, statt alleine. Ein Haus könnte man umbauen, zwei Wohnungen draus entwickeln und eine Wohnung an eine wachsende Familie vermieten. Schon hätte man vielleicht auch einen näheren Kontakt zu jüngeren Menschen. Familienanschluss quasi.
Es gibt viele Wege zu einem guten Wohnen jenseits der 60/ 70.
Ein Wohnungswechsel könnte EINER dieser Wege sein. Etwa vom Land in die Kleinstadt, wo mehr Infrastruktur vorhanden ist, vom Arzt bis zum Supermarkt, alles gleich ums Eck, keine langen Autofahrten m ehr notwendig. Außerdem gäbe es viele Möglichkeiten für Kultur und gesellschaftliches Leben. Oder man wechselt vom großen Einfamilienhaus in ein Gemeinschaftswohnen, um nicht irgendwo alleine zu versauern in Zukunft. Eine kleine eigene Wohnung und dann noch Gemeinschaftsräume. Miteinander leben. Sich gegenseitig befruchten und später auch helfen. Oder von der großen und nach dem Tod des Partners nach Einsamkeit riechenden Wohnung in eine kleinere Wohnung, mitten in einer neu entstandenen Siedlung voller Leben. Ja, warum denn nicht bitteschön?
Wusstest Du, dass Einsamkeit im höheren Alter ein riesiges Thema ist und oft in Zusammenhang steht mit falschem und nicht geeignetem Wohnraum? Einsamkeit macht außerdem krank, lässt einen schneller altern und ist ein Risikofaktor für Demenz. Oder wusstest Du, dass viele Aufnahmen ins Pflegeheim nicht notwendig werden, wegen zu hoher Pflegebedürftigkeit, sondern vielfach vor allem deshalb, weil die bestehende Wohnung für Pflege nicht geeignet ist, nicht barrierefrei ist.
Rechtzeitig die Wohnung zu wechseln oder diese zu adaptieren, rechtzeitig das Wohnen aufs Alter vorzubereiten ist wichtig und sichert Dir ein entspanntes und vor allem ein sozial eingebundenes Leben und Älterwerden.
Wie könnte nun ein erster Schritt in diese Richtung aussehen?
Überlege Dir einmal, wie Du Dir Dein Leben jenseits der 75/ 80 vorstellst. Was wird Dir dann wichtig sein? Worauf wirst Du Wert legen? Was brauchst du dann? Was soll auf keinen Fall passieren? Wie wirst Du mit kleinen körperlichen Unzulänglichkeiten umgehen? Wer wird Dir helfen?
Und dann, wenn Du von diesem Leben im fortgeschrittenen Alter ein klares Bild vor Deinen Augen hast, überlege, ob dieses Leben in deiner jetzigen Wohnung möglich ist.
Wenn ja, gratuliere! Es gibt keinen Änderungsbedarf. Wenn nein, überlege was es zu ändern gilt und starte deine Planungen.
Abschließend noch eine wichtige Botschaft. Ich habe bereits gesagt, es geht darum Veränderungen am Wohnen RECHTZEITIG anzugehen. Warum? Weil es tatsächlich einen Zeitpunkt gibt, wo ältere Menschen nicht mehr fähig sind, ihre Wohnveränderung selbst in die Hand zu nehmen.
Erfahrungen zeigen, dass Menschen im Alter von 75/ 80 das Gefühl haben, es nicht mehr zu schaffen, selbst die dann oft bereits notwendige Wohnveränderung herbeizuführen. Eine Wohnung zu verkaufen, die neue Wohnung suchen und finden, einen Umzug zu organisieren - dazu haben Menschen 75plus tendenziell nicht mehr die Kraft. Sie haben dann das Gefühl, alles wächst ihnen über den Kopf und verzagen, bleiben in ihrem nicht mehr passenden Lebensraum mit meist weitreichenden Folgen.
Etwa mit dem Ergebnis nach und nach Selbstbestimmung zu verlieren, dass, sobald sie Hilfe benötigen, die Kinder das Kommando übernehmen oder dass sie vereinsamen in den eigenen vier Wänden.
Darum:
Denke unbedingt zeitgerecht über dein Wohnen jenseits der 70 nach. Am besten sobald die Kinder das Haus verlassen haben. Ein guter Zeitpunkt wäre auch der Pensionsantritt. Spätestens aber mit 70 solltest Du Dein eigenes Wohnen reflektieren und, wenn notwendig, anpassen.
Zurück zu meinem alten Freund, den Mönch.
Ihn habe ich rund 5 Jahre nach seinem Umzug wieder getroffen. Ganz zufällig, als ich in einem klösterlichen Seminarzentrum ein Seminar hielt. Mein alter Freund war, zu meiner großen Überraschung, der spirituelle Leiter dieses Kloster geworden. Er hatte also tatsächlich neu Wurzeln geschlagen. Auch in diesem hohen Alter.
Tja, und wenn er das konnte, kannst Du das auch! Versprochen!
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