5 Tipps, wenn Dein Angehöriger plötzlich Demenz hat

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Demenz. Immer mehr Familien sind damit konfrontiert. Da die Diagnose Demenz meistens zuerst mit dunklen Bildern von Verfall und Siechtum verbunden werden, ist die Betroffenheit meistens groß. Wie sollen wir das schaffen? Was kommt auf uns zu? Was ist jetzt wichtig? Mit meinen 5 Tipps für Angehörige, gebe ich Dir erste Anregungen, wie Du mit Deiner Familie die neue Situation gut bewältigen kannst.

Den Faden suchen_Demenz

Immer mehr Menschen und Familien sind mit dem Thema Demenz konfrontiert. 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leben derzeit mit einer Demenz, in der Schweiz sind es rund 120000 Menschen, in der Schweiz 140000. Tendenz steigend. Einfach weil wir als Gesellschaft älter werden. 

Demenz kann zwar auch in jüngeren Jahren entstehen, aber sie ist vor allem ein Thema des Alters. Nur rund 2% aller Menschen mit Demenz sind jünger als 65 Jahre. Das heißt, betroffen sind vor allem ältere Menschen und deren Familien. Es sind ältere Väter oder Mütter, die eine Demenz bekommen und plötzlich, nach einem Leben in Selbständigkeit, aushalten müssen, dass sie Hilfe benötigen. Es sind Töchter und Söhne, mitten im Leben, beruflich involviert, viele selbst Eltern und mit Arbeit und Familie ohnehin vielfach belastet, die plötzlich damit umgehen müssen, dass nun auch ein Elternteil Unterstützung braucht oder Betreuung. Von Demenz betroffen sind aber auch ältere Partner oder Partnerinnen, mit weitreichenden Auswirkungen auf die Beziehung, auf den Alltag und die Rollenverteilungen. 

Demenz in der Familie fordert alle heraus. Vor allem zu Beginn stellen sich viele Fragen. Wie reden wir darüber?  Wie viel Hilfe soll ich als Angehörige geben? Was kommt da auf mich und uns zu? Wie verhalte ich mich richtig?  Wie schaffe ich das nur?

Hier nun meine 5 Tipps, wenn Du als Tochter oder Sohn, als Partnerin und Partner mit einer Demenzdiagnose in der Familie konfrontiert bist.

Faden finden_Demenz
Tipp 1: Gib Dir und Deinem Menschen mit Demenz Zeit zu verarbeiten

Demenz ist eine Diagnose, die üblicherweise mit riesigen Ängsten verbunden ist. Wir haben ausschließlich negative Bilder von Demenz in unseren Köpfen, wir sehen vor uns Bilder von Verfall, von schwerer Pflegebedürftigkeit, von Siechtum. Deshalb werden erste Symptome, wird der Weg zur Diagnose und die auch Diagnose meistens selbst als extrem bedrohlich erlebt. 

Die Diagnose Demenz zu verarbeiten, braucht daher Zeit. Bei der betroffenen Person, wie auch bei dir als Angehörige. Abwehr, Wut, Hilflosigkeit, Trauer, Zorn - all das ist normal in dieser Anfangsphase. 

Ich empfehle dir daher, heftige Gefühle der betroffenen Person zu verstehen und nicht persönlich zu nehmen. Und auch dir empfehle ich, dir Deine Gefühle zu erlauben, sie müssen sein dürfen, ihren Platz haben. Verleugnest du sie, hältst du sie zurück, verhärtest du und das hat Auswirkungen auf das zukünftige  Miteinander in der Familie. 

Die Diagnose zu verarbeiten, braucht Zeit. Gib dir und euch diese Zeit.

Tipp 2: Suche nach positiven Vorbildern

Wenn wir an Demenz denken, dann haben wir meistens Bilder von der Endphase der Demenz vor Augen, Pflegebedürftigkeit, totale Verlorenheit. Aber Demenz ist ein sehr langer Prozess und bis zur Endphase ist noch viel, sehr viel Lebenszeit. Lebenszeit, die als diese genützt werden will.

Daher, mach dich bewusst auf die Suche nach anderen Bildern von Demenz. Es gibt Bücher, die Betroffene von Demenz geschrieben haben und die Mut machen. Helga Rohra etwa, die sehr bekannte Demenzaktivistin, von ihr findest du viele Bücher und auch Videos auf YouTube und Beni Steinauer, der zusammen mit seinem Lebensgefährten ein Buch geschrieben hat. 

Auch andere Familien und Angehörige haben bereits ein Leben mit einem Familienmitglied mit Demenz erlebt und erzählen, wie es möglich war, gemeinsam diese Zeit gut zu meistern. Hier nenne ich Sophie Rosentreter, Peggy Elfmann und Oskar Seyfert. Sehr aktuell und auch einzigartig, Yasemin und Frank Aicher, die als Paar - jeweils mit einem Buch aus dem eigenen Blickwinkel- von ihrem gemeinsamen Leben mit Demenz erzählen. 

Am Ende des Artikels, habe ich dir auch einige Literaturtipps angehängt. Vielleicht ist etwas dabei, was dir hilft, deine Angst zu überwinden und einen neuen Blick auf Demenz zu entwickeln.

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Tipp 3: Reflektiere Eure Beziehung 

Beziehungen, ob die zwischen Eltern und KInd oder die zwischen Partnern, haben ihre eigenen Dynamiken. Du kennst das vielleicht. Immer wieder entsteht der gleiche Streit, immer wieder kommt es zu den gleichen Konflikten, als Kind bleibt man immer Kind, immer der Liebling, das Nesthäkchen, aber immer auch das schwarze Schaf. Und auch Paare haben ihre Muster, ihre Dynamiken.

Die Beziehung zwischen Dir und Deinem Familienmitglied mit Demenz ist der Raum, in dem ihr Euch auch jetzt bewegt. Ist da immer viel Liebe und Fürsorge gewesen, wird Liebe und Fürsorge zwischen Euch auch jetzt sein. Ist da aber viel Streit, gab es viele Verletzungen, Konflikte, werden diese alten “Geschichten” weiter zwischen Euch sein und jetzt wahrscheinlich sogar zunehmen.

Es ist daher extrem wichtig, dass du dir deine Beziehung zu deinem Familienmitglied mit Demenz anschaust, deine und eure Verletzungen und Muster erkennst. Nur so kannst du in Konflikten vielleicht erkennen, dass da gerade etwas Altes hochpoppt, etwas aus der Kindheit etwa, und dass der Schmerz oder Konflikt grad nichts mit der Situation jetzt zu tun hat. 

Du kannst dann außerdem mit deiner Familie gezielt überlegen, wer die beste Beziehung zum Familienmitglied mit Demenz hat und wer damit daher eher die geeignet ist, die persönliche Betreuung, wenn sie mal notwendig wird, zu übernehmen. 

Reflektiere deine Beziehung zum Menschen mit Demenz. Schau genau hin. Das ist wichtiger, als du vielleicht jetzt denkst.

Tipp 4: Rede mit Deinem Familienmitglied mit Demenz

Menschen mit Demenz beschreiben häufig, dass sich mit dem Erhalt der medizinischen Diagnose plötzlich das Verhalten des Umfeldes ihnen gegenüber verändert. Ärzte, Psychologen, aber auch die Familie meinen schlagartig zu wissen, was am Besten für die Person ist. Plötzlich spricht der Partner für einen, plötzlich redet die Tochter über einen …aber niemand redet mehr MIT dem Menschen mit Demenz. 

Dabei ist es der Mensch mit Demenz, der am besten über sich Bescheid weiß, über seine Ängste, seine Wünsche, seine Gefühle, seine Bedürfnisse.

Daher: Rede mit deinem Menschen mit Demenz. Es ist wirklich wichtig, Worte zu finden für all die Dinge, die passieren. Der Betroffenen fühlt deinen Respekt, deine Sorge, dein Bemühen, fühlt sich verstanden und kann sich dadurch in Folge auch selbst besser mitteilen. Eure offene Gesprächskultur ist die Basis für ein gute Zukunft trotz Demenz.

Tipp 5: Hole Dir Hilfe. Holt Euch Hilfe!

Viele Betroffene, aber auch viele Familien ziehen sich bei Demenz zurück, meist weil sie sich schämen. Aber Rückzug führt in die Isolation und dann unweigerlich in die Überforderung. 

Heute muss aber niemand mehr alleine sein bei Demenz. Es gibt so unendlich viel Hilfe. Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Gesprächskreise, Organisationen, die Ausflüge, Veranstaltungen oder gar Urlaub anbieten, bei einer fortgeschrittenen Demenz gibt es Tageszentren zur Entlastung der Familien, Unterstützung bei der Pflege und Betreuung. Niemand muss in dieser Situation heutzutage alleine bleiben. Hole dir Hilfe!

Und auch ich habe Hilfe für Dich: Wenn bei euch noch keine Diagnose gestellt ist und der Arztbesuch ansteht, kannst du dir meine kostenfreie Checkliste zur Vorbereitung auf den Arztbesuch holen. Oder Du buchst gleich meinen Online-Kurs "Demenz? Wie Du und Deine Familie das schaffen können."

Sujet Kurs Demenz 05 2022

Und jetzt alles Gute dir und deiner Familie. Du und ihr schafft das!

PS: Diesen Artikel kannst du dir unten auch als Video ansehen und gerne auch mit anderen Menschen teilen.

Service

Hier noch einige Lesetipps für dich, die deinen Blick auf Demenz ändern könnten.

Helga Rohra: Aus dem Schatten treten. Warum ich mich für unsere Rechte als Demenzbetroffene einsetze (Demenz Support Stuttgart). Taschenbuch. 2011. https://amzn.to/3wDixaM

Beni Steinauer, Rolf Könemann, Peter Wißmann: Herausforderung angenommen!: Unser neues Leben mit Demenz. Taschenbuch. 2021. https://amzn.to/3Nu31EY

Oskar Seyfert: Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben. Gebundene Ausgabe. 2022. https://amzn.to/3t1AOgO

Bettina Tietjen: Unter Tränen gelacht: Mein Vater, die Demenz und ich | Ein offenes, liebesvolles Buch, um Demenz besser zu verstehen. Taschenbuch. 2016. https://amzn.to/3a1AtEw

Bettina Michel: Papa, ich bin für dich da: Wie Sie Demenzkranken helfen können - Ein bewegender Ratgeber der Tochter von Rudi Assauer. Gebundene Ausgabe. 2014. https://amzn.to/3LLE46B

Besonders zu empfehlen auch die beiden Bücher eines Ehepaares:

Yasemin Aicher: Ich habe Demenz keine Angst, ist nicht ansteckend. Taschenbuch. 2022. https://amzn.to/3LI4MwQ

Frank Aicher: Meine Frau hat Demenz. Na und? 14 Tage/ 24 Stunden im Leben von Yasemin & Frank. Taschenbuch. 2022. https://amzn.to/3PR46I4

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