Wann ist der Übergang in den Ruhestand gelungen?

Vom Leben in der Pension haben Menschen sehr unterschiedliche Vorstellungen und viele meinen, ihre Sicht wäre die einzig richtige. Wer etwa die Freiheit so richtig genießt, denken viele, hat den Übergang in den Ruhestand geschafft und ist quasi ein „guter Rentner/ eine gute Rentnerin“. Wer aber weiterarbeitet oder gar Probleme am Weg in die Pension hat, der macht etwas falsch im Leben. Woran aber erkennt man, ob der Übergang in den Ruhestand gelungen ist?

Übergang in den Ruhestand gelungen
Fotokredit: Nicola Illic

Wie Menschen sich den Ruhestand vorstellen.

Jeder Mensch trägt ein anderes Bild vom Ruhestand in sich. Im Ausland und am Meer leben, die Welt bereisen, das Leben genießen, wollen die einen. Sich ehrenamtlich engagieren, neue Aufgaben finden, ein Studium starten, andere. Einige stecken alle Energie in die Unterstützung der Kinder und Betreuung der Enkelkinder, manche dagegen planen, sich ganz neu zu erfinden und andere wieder – übrigens immer mehr - wollen gar nichts ändern, sondern weiterarbeiten, in reduzierter Form oder gar wie bisher.

Nicht selten betrachten Mitglieder der einen Gruppe scheel das Verhalten der anderen Gruppe. „Wie kann man nur so egoistisch sein“, tönt es von den familienorientierten RentnerInnen in Richtung jener, die sich dem Genuss verschreiben. Diese wieder antworten mit „Schön blöd. Man hat nur ein Leben!". Besonders schlecht steigen dabei jene aus, die weiterarbeiten wollen wie bisher. Sie werden vielfach belächelt, Ihnen wird unterstellt, nicht loslassen zu können oder sich einfach selbst viel zu wichtig zu nehmen.

Wann ist ein Übergang in den Ruhestand gelungen?

Woran merkt man aber als Gegenüber, dass jemand in der Pension gut angekommen ist? Woran erkennt man selbst, ob man den Sprung in die Rente gut geschafft hat? An einer aktiven Reisetätigkeit? An einem aufopferungsvollen ehrenamtlichen Engagement? An den Kontakten zu den Enkelkindern? Am übervollen Terminkalender?

Grundsätzlich: Es gibt kein richtig oder falsch.

Wege und Lebensinhalte sind verschieden, also gibt es auch kein richtig oder falsch am Weg in die Pension. Wer genießt, darf genießen, ohne als Egoistin betrachtet zu werden.  Wer sich engagiert, ob ehrenamtlich oder in der Familie, darf dies, ohne gesagt zu bekommen, dass er/ sie das Leben verpasst. Und auch wer weiterarbeitet, ist kein Schwächling, der im Leben etwas falsch gemacht hat. Jeder Mensch muss hier den eigenen Weg finden und sollte großzügig andere Menschen ihre Wege gehen lassen.

Also gelingt jedem Menschen der Übergang in die Pension?

Nein, er gelingt nicht jedem Menschen. Aber eine Beurteilung, ob jemand gut in der Lebensphase Pension gelandet ist, lässt sich nicht an Aktivitäten in den ersten 2/3/4 Jahren festmachen, sondern erst mit etwas Abstand, etwa nach 5/ 7/ 10 Jahren.

Kürzlich habe ich zum Thema "Gibt es den Pensionsschock wirklich?" ein Video gedreht und darüber gesprochen. Vielleicht interessiert Dich auch das Video.

Es gibt Menschen, die starten voller Kraft und Elan in die Pension, machen eine Reise nach der anderen und plötzlich, nach 5 Jahren, wird ihnen das Reisen langweilig. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, ständig Urlaubsstimmung ist nicht erfüllend. Da fehlt etwas! Erst jetzt an diesem Punkt wird sich entscheiden, ob der Übergang in die Pension gelingt. Denn jetzt geht es um die Entwicklung einer neuen Identität.

Wer bin ich noch? Wo ist mein Sinn?

Wir Menschen sind nicht gemacht für 25 Jahre Genuss. Irgendwann nach dem Hochgefühl und dem begeisterten Sprung in die neue Freiheit, kommt die Frage nach dem Sinn: Wer bin ich noch, außer die Person, die ich bis jetzt war? Wer braucht mich? Was trage ich bei? Was ist meine Rolle? Wo sind meine Herausforderungen? Es geht um unser urmenschliches Bedürfnis nach Weiterentwicklung und Wachstum, nach Sinnstiftung und nach Zugehörigkeit. Damit das Altern gelingt und wir uns auch im höheren Alter gut fühlen, brauchen wir Bewegung – körperliche Bewegung, aber auch geistige und soziale Bewegung.

Woran erkennt man nun einen Menschen, dem der Übergang in die Pension richtig gut gelungen ist?

Stell Dir einen Menschen vor mit rund 70/75 Jahren: Die Person ist sozial eingebunden, hat Freunde und Bekannte und trifft diese auch regelmäßig. Der Knick im Bereich der sozialen Kontakte (durch den Pensionsantritt verliert man bis zu 2/3 seiner sozialen Kontakte) ist überwunden. In der Begegnung ist ersichtlich, dieser Mensch lebt in der Gegenwart, er redet über das Jetzt, erzählt von aktuellen Aktivitäten, man merkt, hier erlebt jemand etwas, ist aktiv und auch gefordert. Außerdem hat diese Person einen Blick in die Zukunft, es gibt Ziele, Aktivitäten, die geplant werden und Interesse an Neuem. Erzählungen von der Erwerbstätigkeit kommen – so es sich um jemanden handelt, der die Arbeit tatsächlich beendet hat - vor, sie stehen aber nicht im Vordergrund, weil diese Zeit bereits 10 Jahre zurückliegt.

Kurz gesagt: Ob jemandem der Übergang in den Ruhestand gelungen ist, erkennt man daran, dass jemand sich über das Leben in der Gegenwart definiert und Sinnstiftung erlebt. Wobei diese Sinnstiftung individuell ist und nichts Großes sein muss. Auch im Kleinen kann man Sinnstiftung finden.

Und woran erkenne ich, ob jemandem der Übergang in die Rente NICHT gelungen ist?

Wenn keine neue Identität ausgebildet wurde, es keine aktuellen Aktivitäten oder Aufgaben gibt, die Person mit 70/ 75 in jedem Gespräch rasch zur Vergangenheit kommt, immer die gleichen Geschichten aus der früheren Arbeit erzählt und sozial isoliert lebt.

Kann jemand an letzterer Situation noch etwas ändern? Selbstverständlich! Wenn er/ sie sich bewusst darüber wird und sich auf den Weg macht, vielleicht professionelles Coaching in Anspruch nimmt, ist immer Änderung möglich.

ABER:

Darf man sich als PensionistIn nicht einfach treiben lassen, an die Vergangenheit denken und sich sozial zurückziehen?

Darf man! Wenn man dabei glücklich und zufrieden ist, gibt es von mir keinen Einspruch. Fühlt man sich aber unglücklich, kann das langfristig krank machen und/ oder zu einer früheren Vergreisung führen. Aber selbstverständlich darf man auch früher als notwendig vergreisen. Wie wir unser Leben führen, entscheidet in unserer Gesellschaft jeder Mensch für sich. Er trägt ja auch die Konsequenzen.

Grundsätzlich aber ist das Älterwerden ein Prozess und gestaltbar. Im höheren Alter ernten wir, was wir die Jahre vorher gesät haben. Sprich: Wie wir den Sprung in die Pension/ Rente/ Ruhestand verarbeitet und gestaltet haben.

Service:

Mein Artikel macht Dich nachdenklich? Du würdest gerne aktiv an diesem Thema arbeiten? Hier findest Du dazu mein  Coaching-Angebot.

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Und für Dich als besonders interessierte Person noch ein weiterführender Artikel, in dem Ursula Staudinger, Leiterin des Columbia Aging Centers an der Columbia University in New York über den Übergang in den Ruhestand spricht: https://www.t-online.de/leben/familie/id_50200658/berufsende-und-jetzt-ohne-lebenskrise-in-den-ruhestand.html