Kannst Du Dich noch an jene Situation erinnern, als Dich das erste Mal jemand als „älter“ bezeichnet hat? Ich weiß es noch wie heute. Es war ein strahlendes Frühlingswochenende. Ich war 45 Jahre alt und ging mit meinem Mann und den Hund spazieren, als ein junges Paar auf uns zu kam, einen kläffenden Hund an der Leine, der kaum zu bändigen war. Die junge Frau zuckte hilflos mit den Schultern und entschuldigte sich mit den Worten: „Mein Hund hat leider Angst vor älteren Frauen.“
Das saß! Ich war jetzt eine „ältere Frau“!
Es dauerte einige Tage, bis ich mich von dem Schock erholt hatte und mein Mann musste sich nicht nur einmal die Frage anhören: Schau ich echt schon so alt aus? Er lachte schallend über mich! Ja, Sprache hat Wirkung. Sprache prägt unser Denken. Sprache macht unser Denken sichtbar und unsere Haltung zu einem Thema.
Immer wieder diskutiere ich mit TeilnehmerInnen von Seminaren oder Coaching-KlienInnen, welche Begriffe sie verwenden könnte für das eigene Alter. SeniorIn? Mann in fortgeschrittenem Alter? Frau 50plus? Best Ager oder gar Golden Girl? Es gibt mittlerweile viele Begriffe.
Doch warum diese Suche nach Begriffen? Warum nennen wir uns nicht einfach „alt“? Versuchen wir mit Begriffen wie den oben genannten gar das Alter zu leugnen? Nein. Keine Sorge. Was all diese Begriffe erzählen, ist der Versuch ein Lebensgefühl einzufangen, das für uns als Gesellschaft neu ist. Früher war es einfacher, man war zuerst ein junger Mensch, danach ein Erwachsener und dann, nach dem Pensionsantritt, ein alter Mensch. In den 60er Jahren noch waren Menschen mit 60 Jahren müde, abgearbeitet und ihre Lebenserwartung war deutlich begrenzt. Im Schnitt nur weitere 6 Jahre lebte ein Mensch nach seinem Pensionsantritt. Der Begriff „Ich bin alt“ war daher damals für die Menschen meistens stimmig. Wenn Du Dir Fotos aus dieser Zeit anschaust, kannst Du sehen, dass Menschen mit 60 damals auch älter aussahen wie Menschen des gleichen Alters heute. 60 Jährige heute sind meistens fit und agil und sie fühlen sich wesentlich jünger als vorhergehende Generationen gleichen Alters. Sicher hast du schon Sätze gehört wie „60 ist das neue 40“. Auch ihre Lebenserwartung ist deutlich gestiegen. Nach dem Pensionsantritt sind uns heute weitere 20 - 25 Lebensjahre gegönnt. Eine neue Lebensphase ist entstanden. Der Begriff „alter Mensch“ ist daher heute eher den Menschen jenseits der 80/ 85 zugeordnet. Für 60/ 70 Jährige ist er nicht mehr stimmig, Lebensgefühl und Körpergefühl korrespondieren einfach nicht mehr mit dem Begriff. Und deshalb suchen wir heute auch nach neuen Begriffen.
Wie nennst Du Dich?
Bist Du ein Best Ager oder ein Golden Girl?
Oder hast Du gar einen ganz anderen Begriff für Dich gefunden?